Proteste in Hongkong 2019/2020

Proteste in Hongkong 2019/2020
Im Sommer 2019 brachen in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong Massenproteste gegen die Peking-nahe Regierung unter Carrie Lam aus. Anlass war ein vorgeschlagenes Gesetz über flüchtige Straftäter und Rechtshilfe in Strafsachen, das u. a. Auslieferungen von Häftlingen an die Volksrepublik China ermöglichen sollte. Die Gegner dieses Gesetzesentwurfs befürchten, dass damit das liberale Rechtssystem Hongkongs, das bisher im Rahmen des Prinzips Ein Land, zwei Systeme weitgehend unabhängig von dem der autoritären Volksrepublik ist, ausgehöhlt würde. An den darauffolgenden, von der Civil Human Rights Front (CHRF) organisierten Demonstrationen u. a. am 9. und 16. Juni sowie am 18. August 2019 nahmen jeweils weit über eine Million Menschen teil; und damit circa 13 bis 27 Prozent der Hongkonger Bevölkerung. Mehrere Demonstrationen von ausländischen Hongkongern und Einheimischen fanden auch an anderen Orten statt. Bei den symbolisch wichtigen Kommunalwahlen im November 2019 konnte das Pro-Demokratie-Lager einen Erdrutschsieg gegenüber den Peking-nahen Parteien verzeichnen. Dies gilt als deutliche Bestätigung, dass auch eine große Mehrheit der Hongkonger Bevölkerung hinter den Protesten steht.

Die Proteste gelten als die umfangreichsten seit der am 4. Juni 1989 blutig niedergeschlagenen Demokratiebewegung in Peking (Tian’anmen-Massaker) sowie der Regenschirmbewegung 2014 und als die schwerste politische Krise Hongkongs seit der Übergabe der Stadt an die Volksrepublik China im Jahr 1997. Waren die Demonstrationen zu Beginn noch weitestgehend friedlich, entwickelten sie sich, nicht zuletzt aufgrund des harten Vorgehens der Polizei gegen Demonstranten, sowie expliziten Drohungen mit militärischer Gewalt vonseiten der chinesischen Zentralregierung, zunehmend zu einem gewaltsamen Volksaufstand. Forderungen der Wortführer der Demonstrationen, darunter etwa der Student Joshua Wong, sind neben der vollständigen Rücknahme des Auslieferungsgesetzes (zwischenzeitlich am 23. Oktober 2019 geschehen ) eine allgemeine, freie und gleiche Wahl des Regierungschefs, der Rücktritt der Amtsinhaberin Lam, eine unabhängige Untersuchungskommission zu Polizeigewalt, sowie die Freilassung politischer Gefangener. Über allem steht außerdem die Furcht vor einer weiteren, schrittweisen Eingliederung Hongkongs in das chinesische Rechts- und Staatssystem, die spätestens mit Ablauf der in der chinesisch-britischen gemeinsamen Erklärung vereinbarten Übergangsphase im Jahre 2047 geschehen soll. Mit dem am 30. Juni 2020 in Kraft getretenen Gesetz über die nationale Sicherheit, das oppositionelle Handlungen unter Strafe stellt, sieht das Demokratielager diese Befürchtungen in schlimmster Weise bestätigt.

Einen äußeren Anlass, ein Gesetz zur Auslieferung von Straftätern von Hongkong an andere Orte außerhalb Hongkongs zu verabschieden, bildete ein Mordfall. Im Februar 2018 hatte der 19-jährige Hongkonger Chan Tong-kai zusammen mit seiner schwangeren Freundin Poon Hiu-wing Urlaub in Taiwan gemacht. Chan kehrte am 17. Februar 2018 ohne seine Freundin wieder nach Hongkong zurück. Nach dem 17. Februar 2018 hob Chan mehrmals Geld mit der Kreditkarte seiner Freundin ab. Poon selbst blieb zunächst verschollen, bis ihre Leiche etwa einen Monat später in einem Park in Taiwan gefunden wurde. Sie war erdrosselt worden. Am 13. März 2018 wurde Chan durch die Hongkonger Polizei befragt und gab dabei den Mord an Poon zu. Nach Chans Angaben handelte es sich um eine Beziehungstat, da ihm seine Freundin eröffnet habe, dass er nicht der Vater ihres ungeborenen Kindes sei. Da es keinerlei Auslieferungs- oder Rechtshilfeabkommen zwischen Taiwan (der Republik China) und Hongkong gab, sahen sich die Hongkonger Strafverfolgungsbehörden angeblich außerstande, eine Mordanklage gegen Chan zu erheben. Stattdessen wurde er wegen Kreditkartendiebstahls angeklagt und zu 29 Monaten Haft verurteilt, mit der Perspektive, bei guter Führung vorzeitig entlassen zu werden. Der Fall, der einige öffentliche Empörung hervorrief, wurde von der Hongkonger Regierung genutzt, um die Notwendigkeit eines Auslieferungsgesetzes für Straftäter zu begründen.

Land (Geographie)
  • Hongkong
    Hongkong, Abkürzung: HK (, Abk.: 港), ist eine Metropole und Sonderverwaltungszone an der Südküste der Volksrepublik China im Mündungsgebiet des Perlflusses. Mit über sieben Millionen Einwohnern auf 1106 Quadratkilometern und einem bedeutenden Wirtschafts- und Finanzsektor zählt Hongkong zu den Weltstädten. 95 Prozent der Einwohner Hongkongs sind chinesischer Abstammung mit überwiegend kantonesischer Muttersprache.

    Hongkong wurde während des Ersten Opiumkriegs 1841 vom Vereinigten Königreich besetzt und durch den Vertrag von Nanking 1843 zur britischen Kronkolonie erklärt. Für viele Chinesen war die britische Kolonie Zufluchtsort vor dem Chinesischen Bürgerkrieg 1927 bis 1949. Im Jahr 1997 erfolgte die Übergabe der Staatshoheit an die Volksrepublik China. Seitdem ist Hongkong eine chinesische Sonderverwaltungszone unter Beibehaltung einer freien Marktwirtschaft und hoher innerer Autonomie. Dieses Prinzip Ein Land, zwei Systeme wurde in der gemeinsamen Erklärung zu Hongkong vertraglich vereinbart. Inzwischen wird China allerdings vorgeworfen, diese Zusage zunehmend zu brechen, was zu anhaltenden Protesten führte.